Fritz Roth, ganz in Schwarz, am Steuer seines Bestatterautos – ich als Pfarrer daneben, den Talar auf den Knien. So fuhren wir oft zu und von den Friedhöfen.
Beide fingen wir Anfang der 80-erJahre in Bergisch Gladbach neu an:
Er - nach langen Jahren in der Wirtschaft nun in der Rolle, nein in der Realität eines Bestatters: Tag und Nacht bereit, als erster den ratlosen Angehörigen eines/einer Verstorbenen zu begegnen und sie bis zum Grab und darüber hinaus in ihrer Trauer zu begleiten.
Ich - nach fast einem Jahrzehnt in Südamerika jetzt als Pfarrer und Seelsorger in einer Ortsgemeinde.
Wie können wir beide, Bestatter und Pfarrer, den Menschen beistehen, in ihrer persönlichen Trauer den Weg ins Leben zurückzufinden?
Unsere gemeinsamen Friedhofsfahrten boten uns Gelegenheit, mehr als nur Amtliches berufsmäßig auszutauschen.
Ich bekam Respekt vor dem Ernst, mit dem sich Fritz Roth seiner neuen Aufgabe in der unmittelbaren Begegnung mit Sterben, Tod und Trauer persönlich aussetzte. Er hatte ja nicht den beruflichen Ausgleich eines Pfarrers, glücklichen Menschen vor der Eheschließung oder bei der Taufe und Konfirmation ihrer Kinder zu begegnen.
Aber ich spürte, wie in Fritz Roth eine tiefe Lebenskraft wirkte, Freude am Leben und Genuss des Daseins und dass seine neue Tätigkeit als Bestatter ihn gerade zu einer intensiven Liebe zum Leben führte.„Trauer ist Liebe“.
Ihn verstörte es, wenn im Osten des Landes bis zur Wende das Bestattungswesen vielfach in die Abteilung „städtisches Entsorgungswesen“ eingeordnet war. Er litt an der Würdelosigkeit, wie die Toten in ihren Särgen oft in den Abstellräumen der Friedhofsgärtner abgestellt waren, oft der einzige Raum wo sich die Pfarrer den Talar anlegen konnten. Und dann war da auch die Enttäuschung, wie wenig Zeit und oft auch Sensibilität wir kirchlichen Vertreter für die Seelsorge, die Trauerbegleitung mit den Angehörigen aufbrachten.
Seine Bemerkungen waren nie vorwurfsvoll anklagend, sondern immer in ein humorvolles Anteilnehmen gekleidet.
Fritz Roth hat nicht darauf gewartet, dass andere sich ändern, sondern er hat aus diesen Wirklichkeitserfahrungen seinen Traum von einem menschlichen Umgang mit Tod und Trauer im Rahmen der Bestattungstätigkeit entwickelt. Und diesen Traum hat er dann selbst gegen alle Schwierigkeiten und oft auch Widerstände in die Wirklichkeit umgesetzt: „Das Haus der menschlichen Begleitung“ und alles, was daraus erwuchs.
Vielleicht haben die vielen Begegnungen mit den Toten ihn darin bestärkt, denn er war überzeugt, dass im Trauern eine fast revolutionäre Kraft erwächst gegen alles Lebensfeindliche, seien es menschenverachtende Verhältnisse in unserer Gesellschaft, falsche Verordnungen und Traditionen, leeres Pathos und vor allem Berührungsängste jeder Art.
So konnten Menschen der unterschiedlichsten Konfessionen, Religionen und Überzeugungen bei ihm Raum finden. „Trauer braucht Heimat“.
Es ging ihm weder um Rechthaberei noch um bequeme Gleichgültigkeit, sondern um mitfühlende Begleitung in den Lebensgrund eines jeden Menschen. Dabei hat er nie einen Zweifel gelassen über seine persönliche Beheimatung in der katholischen Kirche. Leider ist das manchmal von Seiten der Kirchen als Konkurrenz und unangemessene Einmischung auf ihren ureigenen Bereich der Seelsorge verstanden worden.
Über dreißig Jahre haben seine Anstöße im Bestattungswesen gewirkt, weit über Bergisch Gladbach hinaus. Vieles hat sich zum Besseren verändert. Und auch die Gemeinden und Pfarrer der evangelischen Kirche haben Fritz Roth viel zu verdanken.
Er wird uns allen fehlen.
Axel Becker